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150 Jahre ev.-luth. Kirchengemeinde Westrhauderfehn

  1. Einleitung

  2. Geburtstage Rhauderfehns

  3. Die Gründung Rhauderfehns

  4. Die Parochie Rhaude

  5. Die Gründung der Kirchengemeinde Rhauderfehn

  6. Gebäude

  7. Die Glocken

  8. Die Pastoren

Einleitung

Am 24. Juni 1979 vor genau 150 Jahren wurde in unserer Kirchengemeinde der erste Gottesdienst anläßlich der Einführung des ersten Pastors, Christian Leberecht Nellner, gefeiert. Deshalb wird dieser Tag als Gründungstag der ev.-luth. Kirchengemeinde angesehen.

   Eineinhalb Jahrhunderte bewegter Geschichte sind seit­dem vergangen und haben auf fast allen Gebieten von un­seren Vorfahren nichtgeahnte Veränderungen gebracht. Unsere Kirchengemeinde hat daran mitgewirkt und wurde zugleich davon betroffen. Wir möchten deshalb an dieser Stelle, ohne Namen zu nennen, allen danken, die in dieser Zeit das Leben unserer Kirchengemeinde in der Kirche, in den Gruppen und Chören oder auch in den Häusern mitgestaltet und mitgetragen haben. Wir möchten diesen Dank zum Ausdruck bringen mit dem Feiern einer kirchlichen Woche und hoffen, dabei Anregungen und Hilfen zu erfah­ren für die Gestaltung eines christlichen Lebens in unserer Zeit.

In diesem Sinne lädt der Kirchenvorstand alle Gemeindeglieder und Gäste ganz herzlich zum Mitfeiern ein.

 Im Auftrage des Kirchenvorstandes

Johann Janssen Vorsitzender

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Magret Taute:

 I. Geburtstage Rhauderfehns

   Alle, die sie miterlebt haben, erinnern sich gewiss noch gern an die 200-Jahr-Feier der beiden Rhauderfehne vor zehn Jahren, im Frühsommer 1969. In vielerlei Veranstaltungen wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Fehntjer mit Stolz zurückblicken auf die mühsamen und entbehrungsreichen Anfänge der Moorkultivierung, und daß sie in Hochachtung und Dankbarkeit der ersten Kolonisten gedenken. Seinen Höhepunkt erreichte das Fest mit dem großen Umzug und der stimmungsvollen Beleuchtung der Kanäle und Wieken mit Torffackeln.

    Damals also, vor zehn Jahren, feierten die politischen Gemeinden ihr zweihundertjähriges Bestehen; in diesem Jahr, am 24. Juni 1979, hat die Kirchengemeinde Westrhauderfehn Jubiläum: Sie wird 150 Jahre alt.

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II. Gründung Rhauderfehns

   Es dauerte also sechzig Jahre, bis die Fehnbewohner daran denken konnten, ihre eigene Kirchengemeinde zu gründen, die von Anfang an geplant und genehmigt war. Schon daraus wird deutlich, wie schwer die Anfänge der Kolonisation gewesen sein müssen, und wie karg die Mittel waren, die den Siedlern zur Verfügung standen.

    Vor der Gründung des Rhauderfehns gab es in Ostfriesland und im benachbarten Holland bereits ältere Fehnsiedlungen; aber als Ostfriesland nach dem Tode seines letzten Fürsten Carl Edzard am 25. Mai 1744 in preußischen Besitz überging, erhielt es mit Friedrich dem Großen einen Landesherren, dem die Kultivierung und Besiedlung von Ödland ein ganz besonderes Anliegen war, was in dem Urbar­machungsedikt vom 22. Juli 1765 zum Ausdruck kam. Sümpfe wurden trockengelegt, unzugängliche Gebiete erschlossen, neues Land wurde gewonnen, und bei der Moorkultivierung kam dann noch die Erschließung einer damals wichtigen Energiequelle hinzu: Man gewann Brenntorf. Es ist sicher kein Zufall, daß die Gründung des Rhauderfehns gerade in diese Zeit fällt.

    Fünf Wochen vor der Unterzeichnung des Urbarmachungsedikts stellten die Kaufleute Heinrich Thomas Stuart und Johann Friedrich Heydecke aus Leer, der Receptor Ahlrich Weyhers Ibeling aus Breinermoor, der Amtmann Rudolph Heinrich Carl von Glan und der erbgesessene Hausmann Wille Janssen aus Holte beim König den gemeinsamen An­trag, ihnen die etwa 4000 Diemat (3200 Hektar) großen Hochmoorflächen südlich von Rhaude zur Kultivierung ge­gen Entrichtung bestimmter Abgaben zu überlassen. Es dauerte vier Jahre, bis die fünf "Entrepreneurs" die Verlei­hungsurkunde mit der eigenhändigen Unterschrift des Königs am 19. April 1769 zugestellt bekamen; allerdings wurden ihnen zunächst nur 1500 Diemat, also ca. 1200 ha, zugewiesen. Auch sonst stellten sich der Rhauderfehn-Gesellschaft viele Hindernisse in den Weg. Mit den Orten Rhaude und Holte mußte wegen der Gebietsabtretungen für den Hauptkanal verhandelt werden; der Malteser-Orden und die Einwohner von Langholt fühlten sich in ihren Interessen, beeinträchtigt und machten erhebliche Schwierigkeiten, so daß es zu jahrelangen Verhandlungen und Prozessen kam. Schließlich aber wurde der Rhauderfehnkanal zur Leda, der für die Entwässerung des Moores notwendig war, 1774 fertiggestellt, und man konnte mit der eigentlichen Gründung und Anlage des Fehns beginnen.

     Allerdings wohnten schon vor der Verleihung der Gründungsurkunde Siedler im Fehngebiet. Im Kirchenbuch von Rhaude wird am 22. Juni 1768 von dem Ehepaar Mehne Krinies und Johanna, geb. Hinrichs, von dem "neuen Fehn", wie es damals genannt wurde, berichtet, daß ihm Zwillinge geboren wurden. Das müssen demnach die ersten gebürtigen Fehntjer gewesen sein. Pastor Stellwagen aus Rhaude bezeichnete diese Kinder als "eine schöne Vorbedeutung ... von der großen Bevölkerung daselbst, und, weil sie wegen damaliger Prediger-Vakanz in Rhaude in der fremden Parochie Backemoor durch Herrn Pastor Schaaf getauft wurden, eine Hinweisung auf den Beruf der Rhauderfehntjer, daß sie in die Fremde mußten, und end­lich der Name des am Leben gebliebenen Zwillingskindes Johanna, das heißt: Gottes Gnade, ein Unterpfand, daß Gottes Gnade auf dem Moore weiter walten werden (Elsche, die Zwillingsschwester, starb)".

     Wenn man heute die kilometerlangen Kanäle, Wieken und Inwieken unserer Fehne betrachtet und sich vor Augen hält, daß diese alle mit dem Spaten abschnittweise, oft zu­nächst als Gruppen und Gräben, und allmählich bis zur heutigen Breite und Tiefe in das mehrere Meter hohe Moor gegraben wurden, daß es keinerlei Maschinen, etwa Bag­ger oder Raupen, zur Erleichterung und Beschleunigung der Arbeit gab, kann man ermessen, welch ungeheure Leistungen die Kolonisten vollbrachten. Und dann erst das Abtorfen des Hochmoores! Aus dem Nichts mußten sich die Siedler eine Existenz schaffen. Zunächst errichteten sie aus Torfsoden, Holzpfosten und Lehm eine sogenannte "Pullenhütte" auf dem Moor, nachdem sie zuvor häufig in einer Höhlung im Moor gelebt hatten, um möglichst nah an ihrem Arbeitsplatz zu sein. Erst wenn die ersten Meter in der Breite des Grundstücks bis auf den festen Untergrund abgetorft waren, konnten sie darangehen, ein stabileres Haus zu bauen. Welch schwere Arbeit das Torfgraben und -trocknen war, kann wohl nur ermessen, wer selbst einmal im Moor gearbeitet hat, etwa in den Hungerjahren nach dem letzten Krieg.

    Dass hierbei alle mit zupacken und von morgens bis abends arbeiten mußten, versteht sich von selbst. Auch die Kinder wurden nicht geschont. Dabei kam natürlich der Schulbe­such zu kurz. Im Jahre 1769 beklagte der Kircheninspektor und Pastor Reil aus Detern, daß sich die Fehnsiedler nicht um die schulische Unterweisung ihrer Kinder kümmerten. Er forderte sie auf, entweder eine Sommerschule mit einem "Schulhalter" einzurichten oder die Kinder nach Rhaude in die Schule zu schicken. Seine Ermahnungen hatten aber nur wenig Erfolg. Viele Siedler behielten ihre Kinder zu Hause und führten als Entschuldigung an, daß diese bei der Arbeit im Moor als Mithelfer unentbehrlich seien.

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III. Die Parochie Rhaude

   Die Fehnsiedler hatten zunächst weder für die Gründung einer eigenen Kirchengemeinde noch für die Einrichtung einer Schule die Mittel. So wurden sie von Rhaude aus be­treut. Damals bestanden bzw. entstanden außer in der Mut­tergemeinde Schulen in Langholt, Burlage und Moorhusen - dem heutigen Rhaudermoor. Dorthin gingen die Kinder der Kolonisten, bis 1790 eine eigene Schule gebaut wurde. Sie stand auf dem vorderen Teil des alten Friedhofs am Untenende, der allerdings erst vier Jahre später angelegt wurde.

   Während sich das Fehn in schulischer Hinsicht schon 21 Jahre nach der Gründung selbständig machte, blieb es noch fast 40 Jahre länger ein Teil der Kirchengemeinde Rhaude. Diese alte Gemeinde bestand schon vor der Reformation, wenngleich aus dieser Zeit keine Urkunden überliefert sind.

   Der erste Rhauder Pastor, dessen Name überliefert ist, war Johann Elling, der 1584 nach Breinermoor zog. Auch aus der folgenden Zeit sind nicht alle Namen und Daten vollständig festgehalten. Von 1637 bis 1642, im Drei­ßigjährigen Krieg, war Rhaude ohne Pastor. Ab 1642 ist das Register der Pastoren erhalten. Genannt sei hier nur der schon erwähnte Pastor Johann Julius Friedrich Reil aus Braunschweig, der von 1749 bis 1759 in Rhaude wirkte. Er war der Vater des berühmten Arztes Dr. Reil, der sich als Freund Goethes und als Generaldirektor der Preußischen Lazarette im Befreiungskrieg einen Namen machte.

   Als das Rhauderfehn geplant wurde und die ersten Siedler ins Fehngebiet kamen, amtierte in Rhaude Pastor Rudolf Tau­te, der 1768 nach Timmel ging. Seine Nachfolger waren Johann Bernhard Hagius von Westerbur (bis 1774), Johann Volkmar Stopffel (1774 bis 1790) und Dirk Siemens Fischer, der 1801 nach Osteel zog.

   Aus Pastor Fischers Amtszeit in Rhaude wird folgendes berichtet: "Während seines Hierseins wurde die Gemeinde 1795 im März mit Einquartierun­gen von englischen Dragonern und französischen Emigranten sechs Wochen lang beschwert. Auch hannoversche Dragoner, deren Chef der Prinz von Cumberland, Ernst August, der später König von Hannover war, hatten hier 5 Wochen ihr Quartier, der Prinz im Pfarrhause, die Generäle von Reitzenstein und von Hammerstein in Bauernhäusern. 140 Militärpersonen genossen hier das Heilige Abendmahl. Zum Andenken an diese Zeit schenkte Seine Majestät Ernst August im Jahre 1845 der Gemeinde eine kostbare silberne Abendmahlskanne, die ein dankbares Andenken an dessen Zucht, und Ordnung in roher Zeit erhält." Dieser Bericht, zu finden im Ostfriesischen Monats­blatt, stammt von Pastor Fischers Nachfolger, Enno Chri­stian Wilhelm Stellwagen, einem Pastorensohn aus Pogum. In seine Amtszeit fällt die Abtrennung der Kirchengemeinde Westrhauderfehn von der Parochie Rhaude.

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IV. Die Gründung der Kirchengemeinde Rhauderfehn

   Schon bevor in der Verleihungsurkunde vom 18. April 1769 der Bau einer evangelischen und einer katholischen Kirche genehmigt wurde, hatten die Planer und Gründer des Fehns genaue Vorstellungen über die Bedingungen, unter welchen dies möglich sein würde. Am 15. Januar 1768 schloß die Rhauderfehn-Compagnie mit Mehne Crinies (Meine Criens) und Oltmann Geerts die ersten Erbpacht­verträge ab, in denen die Erbpächter sich verpflichten mußten, " .. im Fall eine Gemeinde errichtet werden sollte, dem Prediger alsdann alle Jahr 36 Stüber und dem Küster 18 Stüber, beides gegen Gold, zu entrichten, auch ersterem über dem ein Fuder schwarzen Torf jährlich zu liefern."

   Diese Bedingungen sind dann 60 Jahre später unverändert in die Gründungsprotokolle der Kirchengemeinde übernommen worden. Das älteste Protokoll, das überliefert ist, stammt vom 14. Januar 1824. Darin wird vorgeschlagen, wie die Stimmen bei der Wahl des Pastors verteilt werden sollen, wie der Prediger und der Lehrer bezahlt werden, wie diese und andere Ausgaben auf die Erbpächter und Unter­erbpächter verteilt werden sollen und wie später der Bau eines Pfarrhauses finanziert werden könnte.

     Weitere Verhandlungen vor dem Amt Stickhausen folgten. In den Protokollen werden als Interessen Vertreter der Siedler folgende Männer genannt: Cryne G. Roggemann, Bauermeister, und H. A. Jürgena von Rhauderfehn, L. Poeker und Koerd Jans Gangehr von Ostrhauderfehn, die Ortsvorsteher Johann Janssen Plümer und Stephan Hagius und der Steuereinnehmer Hille, Koch, Stapelfeld, Müller, Ulbts, de Freese, Klöver, Reents, Deichmann, Schoemaker, Letas, Kramer, Jacobs, Schoon, Klafer, Harms, Gerdes, Oltmanns, Christoffers und de Buhr. Mit dieser Gemeindeversammlung war die Gründung der neuen Kirchengemeinde beschlossen. Schon zwei Monate vorher hatte eine ähnliche Versammlung stattgefunden, auf der die Mitglieder sich geeinigt hatten, den Kandidaten der Theologie, Christian Lebrecht Nellner aus Rhaude, der damals als Hauslehrer in Stickhausen lebte, zum ersten Pastoren zu berufen. Außer den schon erwähnten Familiennamen finden sich unter dem Protokoll dieser Zusammenkunft Namen wie de Haan, Schansker, Plenter, Loger, Wieben. Gewalt, Hagedorn, Diekmann, Krawinkel. Junior, Loop, van Fleeten und Koobs.

     Am 24. Juni 1829 war es dann soweit. Pastor Nellner wurde durch Pastor Oepke aus Backemoor an Stelle des verhinderten Superintendenten Hellmts aus Detern feierlich in sein Amt eingeführt. Der Johannistag ist also der Geburts­tag der Kirchengemeinde Westrhauderfehn.

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V. Gebäude

   Zwei Aufgaben hatte die junge Gemeinde nun vordringlich zu bewältigen: Sie mußte Räumlichkeiten für den Gottesdienst und andere Veranstaltungen beschaffen, und sie mußte ihren Pastor unterbringen. Vorgesehen war, nach drei Jahren ein Pfarrhaus mit dazugehörigem Garten- und Weideland zu stellen. So lange mußte Pastor Nellner zur Miete wohnen. Es dauerte aber fünf Jahre, bis er 1834 das neuerbaute Pfarrhaus beziehen konnte. Es stand auf demselben Grundstück wie die heutige Pastorei und wurde 1955/56 abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt. 1953 war der Gemeindesaal errichtet worden, der 1972 ausgebaut wurde. Nach dem Ankauf eines weiteren Pfarrhauses dient das bisherige Pfarrhaus zur Aufnahme des Gemeindebüros, der Diakonie-Station und weiterer Jugendräume.

    Der Bau der Kirche ließ länger auf sich warten. Die Gottesdienste wurden rund zwanzig Jahre lang in der Schule am Untenende abgehalten, die zu diesem Zweck auf der Ost­seite durch einen Anbau erweitert wurde und schon seit 1825 am Westeingang einen Glockenturm besaß. 300 Men­schen hatten in diesem Gebäude Platz. Die Gemeinde umfaßte zu jener Zeit etwa 1000 Seelen; bereits 1846 war sie auf 1500 angewachsen, so daß die Schule für die Gottes­dienste nicht mehr ausreichte und der Bau einer Kirche in Angriff genommen werden mußte. Das war ein beachtli­ches Projekt, denn die Kosten beliefen sich auf etwa 9000 Reichstaler, die zum größten Teil von der Gemeinde aufge­bracht werden mußten. Die Hannoversche Landeskirche hielt eine Kirchenkollekte ab, die 860 Reichstaler erbrachte. Außerdem wurde in Ostfriesland eine Hauskollekte durchgeführt, deren Ergebnis aber nicht bekannt ist. An der Planung des Baues waren neben Pastor Nellner die bei­den Kirchen Vorsteher Jann Wieben und Harm Diekmann und der Ortsvorsteher Heye Reents maßgeblich beteiligt. Sie übertrugen die Durchführung des Baues dem Zimmer­meister Dirk Müller zu Rhauderfehn und dem Tischler und Zimmermeister Bengen in Detern.

    Am 5. Dezember 1848 war das neue Gotteshaus fertig und wurde durch den Generalsuperintendenten Hichen aus Aurich feierlich eingeweiht. Pastor Nellner hielt die Ansprache über 1. Mose 28, 17: "Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus, hier ist die Pforte des Himmels."

    Die Kirche hatte aber zunächst noch keinen Turm. Dieser wurde in den Jahren 1885/86 von dem Maurermeister Schumacher aus Leer nach den Entwürfen des Ingenieurs Könecke aus Leer gebaut und kostete einschließlich des Geläutes und des Uhrwerks etwa 48 000 Mark. Die vier Läute- und eine Schlagglocke lieferte die Firma Radler & Söhne, Hildesheim. Die Spitze des Turms ziert noch heute ein vergoldeter Schwan als Windfahne. Als er dort angebracht wurde, so erzählt man, habe der Handwerker Heyo Kluin von seinem luftigen "Hochsitz" aus zufällig beobachtet, wie in Rhaudermoor ein Kind in einen tiefen Graben gestürzt sei. Er habe Alarm geschlagen, und das Kind habe tatsächlich noch gerettet werden können. Der Turm wurde 1971 renoviert und erhielt bei dieser Gelegenheit ein Kupferdach.

    Als der alte Friedhof, 1794 angelegt, später nach Norden hin, und nach Abbruch der alten Schule 1880 auch nach Süden hin erweitert, nicht mehr ausreichte, kaufte der Kir­chenvorstand 1897 eine Fehnstelle an der Westseite der 1. Südwieke und legte dort einen neuen Friedhof an, der in der Folgezeit öfters erweitert wurde. Neben dem Friedhof stand eine Kapelle der Methodisten­gemeinde. Als diese aufgehört hatte zu bestehen, kaufte die lutherische Gemeinde 1906 die Kapelle, die heute bei den Trauerandachten benutzt wird; früher, als die Beerdi­gungen gewöhnlich vom Trauerhaus aus stattfanden, diente sie verschiedenen Jugendgruppen und für den Konfir­mandenunterricht als Versammlungsraum.

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VI. Die Glocken

   Aus dem kirchlichen Leben einer Gemeinde sind die Glocken nicht wegzudenken; ihr Schicksal spiegelt häufig das der Gemeinde wider.  

   Wie schon berichtet, besaß die Schule am Untenende einen Glockenturm, als sie zu kirchlichen Zwecken erweitert wurde. In dem Turm hing eine kleine Glocke mit der Inschrift:

"Die erste Glocke des Rhauder-Fehns. M. F. Heidefeld et M. Femy me fecerunt. Anno 1796." Mit der Gründung der Kirchengemeinde kam eine zweite größere Glocke hinzu, die eine denkwürdige Geschichte hat. Sie stammte aus dem untergegangenen Dollartland. Ihre ursprüngliche In­schrift lautete: "Maria ik hote - de van flet - hebbet mi laten ghet - anno domi. MCCCCLXIIII." Die Gemeinde zu Flet, d. i. Fletum, ließ sie im Jahre 1464 gießen, wahrschein­lich von dem berühmten Meister Ghert Klinghe. Um 1700 fand man sie im Turm der Kirche zu Nesserland bei Emden. 1829 wurde sie durch Geerd Peters van Fleeten und Wessel Klesen für Rhauderfehn angekauft, sie zersprang beim er­sten Läuten. Ein Jahr später wurde sie umgegossen und mit folgender Inschrift versehen: "Am 24. Juni 1829 wurde die lutherische Gemeinde West-Rhauderfehn errichtet und eine Kirch-Turm-Glocke von Nesserland angekauft, welche im Jahre 1464 gegossen und 1830 wieder erneuert wurde durch Andries H. van Bergen, H. A. van Bergen und U. A. van Bergen." Bereits 1831 wurde die Glocke wieder zerläu­tet und seitdem nicht mehr benutzt. 

   Als der Turm gebaut wurde, verwendete man für das neue Geläut die beiden alten Glocken mit. Das Geläut war auf den C-Dur-Grundakkord gestimmt. Es trug folgende In­schriften: Die große C-Glocke: "Ehre sei Gott in der Höhe und den Menschen ein Wohlgefallen"; die zweite E-Glocke: "Der Gerechte wird seines Glaubens leben"; die dritte G-Glocke: "Bete und arbeite« und die vierte kleine C-Glocke: "Fang alles an mit Gott und halte sein Gebot".

     Am 17. Juni 1917 mußten drei dieser Glocken und die Schlagglocke zu Kriegszwecken abgeliefert werden; es blieb nur die E-Glocke übrig. Es dauerte acht Jahre, bis die Gemeinde ein neues Geläut in Auftrag gab. Ein großer Teil der Mittel dafür wurde durch Spenden der Gemeindeglieder bestritten. Mitte September 1925 beauftragte der Kirchenvorstand die Glockengießerei F. W. Rincker in Sinn (Dillkreis) mit dem Guß vier neuer Glocken, der am 7. November stattfand. Am 25. November wurde das neue Geläut in Sinn von dem Glockensachverständigen Kantor Onneken, Leer, in Gegenwart von Pastor Heyer geprüft. Das Resultat der Prüfung war sehr gut. Am 2. Dezember wurden die neuen Glocken unter Schneegestöber von der Bahn zur Kirche geschafft. Als die größte Glocke, 3872 Pfund schwer, nach vieler Mühe auf einen Schlitten gebracht war, mußten 4 Pferde vorgespannt werden.

     Das neue Geläut - die von 1886 her noch vorhandene E-Glocke wurde an die Glockengießerei abgeliefert - war ab­gestimmt auf die Töne Des-F-As-B. Die große Des-Glocke wog 1936 Kilogramm und trug folgende Inschriften: Am oberen Rand: "Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde". Auf der vorderen Man­telseite: "Die Liebe höret nimmer auf". Auf der hinteren Mantelseite: "Für die im Weltkrieg 1917 geopferten Glocken erstand ich mit meinen drei Schwestern aus freiwilli­gen Gaben der Gemeinde Westrhauderfehn". Die zweite F-Glocke wog 932 Kilogramm und trug folgende Inschriften:

   Am oberen Rand: "Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat". Auf der vorderen Mantelseite: "Der Gerechte wird seines Glaubens leben". Die dritte As-Glocke wog 566 Kilogramm und trug oben herumlaufend die Inschrift: "Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet". Die vierte B-Glocke wog 406 Kilo­gramm und trug oben herumlaufend die Inschrift: "Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit". Auf allen vier Glocken stand ferner unter der oberen Randinschrift: "F. W. Rincker in Sinn goß mich im Jahre des Heils 1925".

     Am 4. Adventssonntag, 20. Dezember 1925, fand die feierliche Glockenweihe statt, wobei Pastor Meyer auf Grund von 1. Corinther 13, 13 und Hebräer 13, 8 über die Glockeninschriften predigte.

Auch dieses Geläut fiel dem Krieg zum Opfer. Die Glocken mußten 1943/44 abgeliefert werden. Erst am 21. Februar 1954 konnten die mit Hilfe von Spen­den beschafften neuen Glocken durch Pastor Hinrikus Janssen in einem Gottesdienst geweiht werden. Sie sind aus Stahl und haben folgende Daten:

 

 

(Wegen zu großer Schwingungen des Glockenstuhles er­klingt z. Zt. nur die größte Glocke mit dem Ton es'.)

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VII. Die Pastoren

   In den 150 Jahren ihres Bestehens ist die Kirchengemeinde Westrhauderfehn von zehn verschiedenen Seelsorgern betreut worden, davon über ein Drittel ihrer Geschichte, näm­lich 53 Jahre lang, von ihrem ersten Pastor Christian Lebrecht Nellner. Keiner seiner Nachfolger hat auch nur annä­hernd eine so lange Tätigkeit auf dem Fehn aufzuweisen. Pastor Nellner hat alle entscheidenden Phasen und Ereig­nisse der jungen, wachsenden Gemeinde miterlebt und geprägt. Höhepunkt seiner Amtszeit war sicherlich der Bau der Kirche. Am 6. November 1882 trat er, 79 Jahre alt; in den Ruhestand und verbrachte die letzten fünf Jahre seines Lebens in Leer, wo er am 13. Juni 1887 starb. Er wurde auf dem alten Friedhof in Westrhauderfehn beigesetzt.

     Auf eine 33jährige Tätigkeit in Westrhauderfehn konnte sein Nachfolger Johann Heinrich Voß zurückblicken. Er kam 1883 von Pogum nach hier und trat am 1. April 1916 in den Ruhestand. Am 20. Mai 1923 starb er in Aurich und wurde dort zu Grabe getragen. In seine Amtszeit fällt der Bau des Kirchturms und die Gründung der Kirchengemeinde Ostrhauderfehn. Der dritte Pastor zu Westrhauderfehn war Dr. phil. Carl Ihmels. Die Zeit seines Wirkens auf dem Fehn war geprägt vom Ende des 1. Weltkrieges und den schweren Nachkriegsjahren. Am 1. Oktober 1923 folgte er dem Rufe als Missionsdirektor der Leipziger Mission.

     Am 11. November 1923 wurde Pastor Theodor Heyer, der von Stiekelkamperfehn nach hier kam, in sein Amt eingeführt. Nach elfjähriger Tätigkeit ging er 1934 nach Kirchohsen bei Hameln. Er konnte 1929 mit der Gemeinde ihr hun­dertjähriges Bestehen feiern.

     Martin Köppen, Sohn eines Superintendenten zu Wittmund, kam 1935 in das hiesige Pfarramt. Mit ihm zusam­men erlebte die Gemeinde die schwere Zeit der nationalso­zialistischen Willkürherrschaft und des zweiten Weltkriegs. Pastor Köppen wurde 1941 eingezogen, geriet 1945 in Kriegsgefangenschaft und kehrte 1946 in seine Gemeinde zurück. 1952 folgte er einem Rufe als Pastor nach Münkeboe-Moorhusen.

     Sein Nachfolger wurde Pastor Hinrikus Janssen, der am 1. März 1953 sein Amt antrat und bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1969 wirkte. In den ersten Jahren seiner Tätigkeit wurden die neuen Glocken angeschafft und die neue Pastorei erbaut. Pastor Janssen starb im Mai 1970.

     Nach über einjähriger Vakanz wurde am 16. August 1970 Pastor Gerd Gehrke in sein Amt eingeführt. Er sorgte für die Renovierung des Glockenturms und für den Ausbau des Gemeindehauses. Ebenfalls wurde der Bau des Kindergartens in seinerzeit begonnen. 1973 verließ er Westrhauderfehn, um die Pfarrstelle in Faßberg zu übernehmen. Jetzt hat er seine Arbeit bei den "Missionarischen Diensten" unserer Landeskirche begonnen. Durch das Anwachsen der Gemeinde war inzwischen eine 2. Pfarrstelle nötig geworden, die Pastor Thiel am 3. September 1972 übernahm.

     Durch die Kirchengemeindereform wurde 1974 Westrhauderfehn Sitz der Superintendentur (früher wechselnd in Detern, Potshausen und Rhaude) und erhielt Rhaudermoor, das bislang zur Kirchengemeinde Rhaude gehörte, als weiteren Teil der Kirchengemeinde. Deshalb wurde eine dritte Pfarrstelle errichtet, die (zusammen mit Rhaude) seit Februar 1975 von Pastor Brand versehen wird. Seit dem 19. Oktober 1975 hat Superintendent Koch die er­ste Pfarrstelle übernommen. Er ist zugleich Superintendent des neugegliederten Kirchenkreises Rhauderfehn.

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