Die
Fluttermühle - holländisch Tjasker - ist eine niederländische
Erfindung des 16. Jahrhunderts. Sie diente in niedriggelegenen Poldern
Hollands, aber auch an der deutschen Nordseeküste Ostfrieslands als Entwässerungsmühle
von Weideland. Mit Hilfe zahlloser Fluttermühlen wurden ganze Regionen
"trockengemahlen".
Seinen Namen hat der
Flutter vom altfriesischen "fletta" (bewegen, von der Stelle
bringen) und niederdeutsch "fielen" (fließen lassen). Er besteht
aus 4 Flügeln - meist Segelflügel -, einer archimedischen Schraube
(Schnecke) und stellt wohl die einfachste Art von Wasserhebungsmaschinen
dar. Die Erfindung des Flutter geht auf den Mathematiker, Physiker und
Ingenieur der Antike, Archimedes, zurück, der um die Zeitenwende (* um 285
– 212 v. Chr.) in Griechenland lebte. Er entwickelte u.a. das Hebelgesetz,
das spezifische Gewicht sowie die Kreisberechnungszahl "Pi".
Eine
hölzerne archimedische Schraube (Schnecke) wurde in einer hölzernen Röhre
über eine etwa 30 Grad gegen den Himmel geneigte Flügelwelle gedreht. Eine
Besonderheit dieser Mühle stellt die Tatsache dar, dass die Schnecke ohne
Übersetzung direkt mit der Antriebswelle gekoppelt war. Aus einer Niederung
wurde das Grundwasser ca. 2 m in einen höher gelegenen Abzugsgraben befördert,
von wo es in den Hauptkanal abfließen konnte bzw. wiederum per Mühle geschöpft
wurde.
Aus einem
Lizenzbrief aus Middelburg (NL) geht hervor, dass diese "Schraubenmühle"
bereits im Jahre 1598 erfunden wurde. Es gab die auch als "Schreckmühle"
bekannte Wasserpumpmühle in zahlreichen Exemplaren zur Entwässerung von
Niederungen, die z.T. erheblich unter dem Meeresspiegel lagen, so auch in
Ostfriesland. Über einen Ständer (Pahl) wurden sie von Hand in den Wind
gedreht. Brett- oder Segelflügel sorgten für den Antrieb.
Moderne
elektrisch betriebene Pumpwerke mit wesentlich höherer Leistung haben die
alten Windpumpmühlen längst abgelöst, zumal sie windunabhängig waren.
Nur wenige Exemplare sind der Nachwelt erhalten geblieben. Ein Nachbau eines
Flutters steht am Ortsausgang von Riepe an der Landstraße nach Emden. Ein
weiteres Exemplar befindet sich im Freilichtmuseum Cloppenburg. Im "Dörpmuseum"
in Münkeboe befindet sich ein Modell eines Flutters.
Die neue
Zeit hat in vielen Bereichen die Rückbesinnung auf vergangene Zeiten
geweckt und auch der Fluttermühle wieder einen neuen Sinn gegeben. Nicht
zur Entwässerung von Weideland, sondern zur Wiedervernässung von
Moorbiotopen werden Fluttermühlen heute eingesetzt. Nachdem schon seit
Jahren eine Fluttermühle in Bedekaspel am Großen Meer zwischen Emden und
Aurich ein Biotop bewässert, wurden nun 2 weitere Flutter für die Bewässerung
von weiteren Biotopen gebaut.
Einem der
letzten Mühlenbauer im Landkreis Leer, Richard Kluin (74) aus Ihrhove.
gelangen 1999 in seiner Werkstatt zwei meisterhafte Nachbauten von Fluttermühlen
in Eichenholz - eine handwerkliche Leistung, die heute nur noch ganz wenigen
Handwerker erbracht werden kann. Die eine Fluttermühle ist für die Bewässerung
eines Biotops in Weenermoor bestimmt, die zweite soll am Uhlenhorst in
Grotegaste (Gemeinde Westoverledingen) eingesetzt werden.
Kluin
ist einer der letzten gelernten Mühlenbauer in Ostfriesland. Lehrmeister
war sein Vater in Breinermoor, wo Kluin aufwuchs. Unzählige Mühlenreparaturen
und auch Wiederaufbauten wie in Rhaude, Berumerfehn und Idafehn, wo der Mühlenbauer
auch heute noch tätig ist. gehen auf seine Aktivitäten zurück. Kaum eine
Mühle im weiten Umkreis, an der er sein Können nicht unter Beweis gestellt
hätte. Mühlenbesitzer und Mühlenvereine der Region bedauern sehr, dass es
ihm nicht ermöglicht wurde, Interessenten für ein Handwerk auszubilden,
das zum Aussterben bestimmt ist, obwohl die Nachfrage nach Mühlenexperten
mit Sicherheit in den kommenden Jahren steigen wird, um den Bestand
historischer Mühlen der Nachwelt zu erhalten. Die ständig wachsende
Mitgliederzahl hiesiger Mühlenvereine deutet den Trend an. Zur Zeit läuft
auch schon der 3. Lehrgang für die Ausbildung zum "Freiwilligen Müller",
der sicherstellen soll, dass die zahlreichen Windmühlen auch fachlich
betreut werden können.
Wenn in
unseren Tagen Fluttermühlen wieder ihren Dienst verrichten, wenn auch in
umgekehrter Funktion, dann verdanken wir diese Renaissance zum großen Teil
dem Umweltschutzgedanken aktiver Bürger und Gemeinderäte.
Die
Fotos zeigen Richard Kluin in seiner Werkstatt in Ihrhove im Januar 1999
beim Bau des Flutters (bei
der Herstellung der bautechnisch komplizierten Archimedes-Schraube: zahlreiche
kleine Holzsegmente sind auf der Welle schneckenförmig zu befestigen)
sowie nach dem Einsetzen des Flutters in Weenermoor. Die Welle
von 16 cm Durchmesser hat eine Gesamtlänge von 8,60 m und ist über einen
senkrechten Pfahl von Hand in den Wind drehbar. Die zweigängige Schnecke
von 4,60 m Länge dreht in einem Holzrohr von 45 cm Durchmesser und wird
durch Segelflügel mit einer Spannweite von 7,10 m angetrieben. Bei jeder
Umdrehung hebt sie 10 Liter Wasser 2 Meter höher.
Auch mit dem 2.
Flutter gleicher Bauart, der in Grotegaste am Uhlenhof eingesetzt wird,
finden Besucher heute eine Rarität vergangener Zeiten in Funktion, wie sie
sonst nur noch als Erdholländer in Wynhamsterkolk und als Kokermühle im
Riepster Hammrich zu finden sind, wo sie jedoch nur selten in Betrieb
genommen werden, da sie für Entwässerungszwecke keine Funktion mehr haben.
Ein
kleines technisches Gerät, dem die Bauern vergangener Tage manchen
trockenen Hektar Weidelandes zu verdanken hatten, kann jetzt unseren Kindern
und Enkeln den Einfallsreichtum unserer Vorfähren wieder anschaulich
darstellen. Ein lohnendes Ziel für einen Sonntagsausflug mit Familie!
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Text
und Fotos: Jürgen Morian.
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