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Das Pfarrhaus im Moor

6. Ein gut Stück weiter

      Wohl war die Schuld-Verschreibung über 20 000,- Mark beschlossen und wurde das Kapital angeliehen, doch mußte der Kirchenbaufonds erst bedeutend größer sein, bevor zum Bau geschritten werden konnte. Guter Rat war teuer. Ein ausführliches Gnadengesuch an den deutschen Kaiser mußte des öfteren begründet werden, Bitten und Schilderungen an die treuen Gustav-Adolf-Vereine wurden abgefaßt und um Kollekten dringend gebeten. Und wenn auf solche Bitten die Hilfe nicht so schnell eintraf und auch nicht so schnell eintreffen konnte, wie die Gemeinde sich es vorstellte, und Mut und Hoffnung bei unseren guten Leuten öfters schwand, mußte der Pastor durch neu gefundene Hilfsquellen und durch Hinweis auf die schon bewilligten Gaben die Zuversicht bei allen wieder erwecken.

   Nicht auf einmal, nicht in einem Jahre, auch nicht in zwei und drei Jahren kamen die helfenden Antworten alle, erst nach vier langen, bangen Jahren traf die erfreuliche, uns alle so hochbeglückende Antwort ein, daß seine Majestät, der deutsche Kaiser, eine namhafte Summe, es waren über 30 000,- Mark, zum Bau unserer evangelisch-lutherischen Kirche, der letzten an der Grenze des katholischen Ländchens, bewilligen werde, der Staat die Bauleitung übernehme und ein geeigneter Bauplatz anzukaufen sei. Wie froh und dankbar konnte doch nun zu dem Anfang des Baues geschritten werden. Mittlerweile war auch manche Bittreise und Fürsprache auf Versammlungen der treuen Gustav-Adolf-Vereine von Erfolg gekrönt, indem manche Liebesgabe in Geld und Gerätschaften eingetroffen war.

   Nun aber sollte die Wahl des Bauplatzes zur Kirche, man sollte es kaum glauben, noch so mancherlei Mühe machen und manche Enttäuschungen bringen, denn trotz der vielen treuen, wahren Christengesinnungen in der Gemeinde sollte uns die traurige Erfahrung nicht erspart bleiben, auch auf äußerliche weltliche Beweggründe zum Kirchenbau zu stoßen. Da war es vor allen Dingen der Eigennutz einiger, die sich von vornherein nur gedacht hatten, die neue Kirche müsse neben ihrem Hause stehen, damit sie dadurch bessere Geschäfte machen, oder einen höheren Preis für ihre Besitzungen erzielen könnten.

   Alle Mittel zur Ausführung ihres Planes wurden versucht. In Sonderheit wurde der Aberglaube zu Hilfe genommen, so daß wir auch von zwar nicht schlechten, sondern nur schwachstehenden Lutheranern hören mußten: "Herr Pastor, hier mut de Kark stahn, hier hemm se't lüden hört."    Wollte man der Sache auf den Grund gehen, wer die - sie - gewesen waren, die es hatten läuten hören, so war natürlich niemand da, der das wußte. Diese Leichtgläubigkeit nutzte eine schlaue, kaufmännische Kirchenpolitik weidlich aus. Das unsinnigste Zeug fand in Form des Aberglaubens empfänglichen Boden in den Herzen der Schwachen. So konnte man sich auch das lange nächtliche Aufbleiben des Pfarrers nicht anders erklären, als er müsse erst, bevor er Ruhe fände, sich mit den Geistern der Verstorbenen herumschlagen, bis einige den Mut fanden, meinen Mann selbst danach zu fragen, und hören mußten, daß auch dieses, wie so manches andere, bei ihnen Aberglauben sei. Der Aufforderung, doch selbst einige Nächte mit ihrem Pastor aufzubleiben, um selbst zu sehen was er triebe, wagte doch keiner zu folgen.

   Der Aberglaube saß zu lange und zu tief. Wie oft fanden wir bei Krankenbesuchen in und über den Schlafbutzen der armen Kranken schwarze Kreuze, gemacht von den katholischen Nachbarn, die die bösen Krankheitsteufel vertreiben sollten. Wenn die Kranken dennoch starben, hieß es: "Ja, der römische Pfarrer kann die bösen Geister durch Zeichen und Gemurmel am sichersten bannen". Des Glaubens an Hexen und Behextsein hier gar nicht zu erwähnen. Es war so fast kein Wunder, daß auch der Aberglaube eine Rolle mit in der Kirchenbauplatzfrage bei ihnen spielte. Das gerechte Urteil des Pastors darüber konnte nicht als ein solches aufgefaßt werden, und so verging lange Zeit, ohne daß mit dem Kirchenbau begonnen werden konnte.

   Da die Gemeinde sich absolut nicht über den Bauplatz einigte, und jener Vorschlag eines recht abergläubischen Mannes doch wohl auch nicht gut durchführbar war, es ähnlich zu machen, wie vor einigen hundert Jahren im Nachbarort (Rhaude), nämlich die Kirche dahin zu setzen, wo zwei zu gleicher Zeit freigelassene Ochsen zusammen stehen bleiben würden, so mußte schließlich die Behörde die Entscheidung treffen. Die aufgeregten Gemüter wurden dadurch in der Tat, wenigstens äußerlich, wieder beruhigt, und die weiteren Schritte konnten schriftlich und mündlich wieder getan werden.

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