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Das Pfarrhaus im Moor

10. Ein neues Allüberall

   An dem Tage der Einweihung war die geräumige Kirche übervoll, denn mit heiligem Eifer zog es alle hin, die Übergabe der Schlüssel, die feierliche Eröffnung und Weiheansprache mit zu erleben. Die Spitzen der Behörden und Vertreter derselben waren alle gekommen, und ein jeder hatte seine Freude an dem wohlgelungenen, schwer erkämpften Kirchlein. In der Tat, es war schöner geworden, als unsere kühnsten Pläne je gewagt hatten hoffen zu dürfen. Es war in seiner einfachen gotischen Bauart der ganzen Gegend eine Zierde, der Gemeinde eine mächtige Mahnung zum Dank gegen ihren treuen Gott, und jedem Einzelnen eine Zufluchts- und Erbauungsstätte, wo er Kummer und Leiden der Erde vergessen und im Gebet zu seinem Gott erstarken konnte.

   Es war ein einfach schöner, stilvoller Bau, dessen äußere Wände mit ihren halbhohen Strebepfeilern und den bleiverglasten, spitzgotischen Fenstern und Türen genau übereinstimmten mit seiner inneren Einrichtung, den Bänken, deren Seitenwände die gotischen Linien zeigten, der Kanzel mit ihrem Schalldeckel und vor allem mit dem wunderbar geschnitzten Altar. Die hohe, domartige Wölbung verfehlte ihre Wirkung nicht, sie erzielte bei voller Kirche eine gute Akustik. Das goldene Kruzifix auf schwarzem Ebenholz, ein besonderes Geschenk eines Gustav-Adolf-Vereins, sowie der weiche, volle Ton der Orgel trugen dazu bei, die Andacht der hier Betenden zu erhöhen. So waren auch selbst wir, die wir doch den Bau vom ersten Stein an gesehen, überwältigt und erstaunt, ein so herrliches, prächtiges Gotteshaus bekommen zu haben. Es war das schönste in weiter, weiter Umgebung. Mit seinem hohen Turm, dem sinnbildlich ausgestreckten Finger nach oben, schaute es weit hinein ins Land, und später, nach dem als Letztes auch noch Glocken erwirkt und beschafft waren, konnte es durch seinen Dreiklang alle Gläubigen rufen und erfreuen, und die hinter und neben ihm erklingenden Glocken der drei katholischen Kirchen noch übertönen.

[Gegossen wurde die Glocken beim Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation in Bochum: 1) e-Glocke = 1335 mm 0, Gewicht 1040,5 kg im Januar 1897 zum Preise von 1.144,55 Mark; 2) g-Glocke = 1124 mm 0, Gewicht 616 kg im Dezember 1898 zum Preise von 676,50 Mark; 3) b-Glocke = 915 mm 0, Gewicht 329,5 kg im Dezember 1898 zum Preise von 362,45 Mark.]

   Doch nicht nur dieser erste Sonntag, sondern alle anderen im Jahre fanden eine gutbesuchte Kirche, und die Freude der Gemeinde über ihre neue Kirche und das Bedürfnis, Gottes Wort zu hören und zu halten wurde mit jedem Jahr größer. Die nächste Umgebung von Pfarrhaus und Kirche, die bis dahin noch unwirtlich aussah, wurde im Laufe der Jahre eine bessere. Rasenflächen und ein Garten wurden angelegt und mit jungen Bäumen bepflanzt. Nichts deutete mehr auf die früheren Buchweizenfelder und unfruchtbaren Heideflächen hin. Überall erstand ein Neues! Mit dankbarer Rührung gedachte ich so oft der treffenden Worte des treuen Seelsorgers von damals an unserem Hochzeitstage: "Pflüget ein Neues".

   Ein Neues war gepflügt worden allüberall! Und wenn ich oft stand am Fenster oder an der Tür, die junge Anlage des Gartens überschaute und die selbstge-pflanzten ersten Frühlingsblumen mir zunickten und winkten, neben denen im Gras mein jetzt schon fünfjähriges Söhnchen spielte und jauchzte, empfand ich doch wiederum etwas von jenen schwärmerischen Gefühlen, die mir schon in so früher Jugendzeit das Landpfarrhausleben als so poesievoll, so ideal schön, als ein so wünschenswertes Leben erscheinen ließen. Wie sagte doch jener bedeutende Mann, von dem ich im Anfang erzählte? "Wartet nur in Geduld, so erfüllt euch Gott all eure Wünsche." So hatte sich ja auch doch noch, nach so manchen Stürmen, Enttäuschungen und Kämpfen, im Pfarrhaus im Moor mein Pfarridyll nicht nur verwirklicht, sondern nach so vielen Seiten hin noch vervollkommnet, geläutert und verklärt.

Anhang: Fotos